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Satz mit X: „Ab morgen arbeiten wir in einer MatriX!“

Ein Spark von Dr. Claudia Kleimann-Balke und Felix H. Kühn / März 2023

Auf dem Papier sieht vieles gut und einleuchtend aus: „Die neue Organisationsstruktur ist doch eigentlich ganz klar, oder? Man muss sie nur noch umsetzen.“ So oder so ähnlich, haben wir es schon von manchen Führungskräften im Brustton der Überzeugung gehört.

Zu Recht sollte man meinen. Denn eine Matrixorganisation ist eigentlich nichts Neues. Allerdings haben Unternehmen häufig ihre Schwierigkeiten damit, sie wirklich zum Leben zu erwecken. Aber was macht die Arbeit in dieser Unternehmensstruktur so anders und schwierig? Warum stoßen Führungskräfte und Mitarbeiter* bei der Umsetzung häufig an ihre Grenzen?

Der Teufel steckt meist im Detail – nämlich im Miteinander und darin, die Wirkungsweise der neuen Organisation vollkommen zu verstehen. Um den Mehrwert einer Matrixorganisation zu heben, braucht es Kommunikation – offen, kontinuierlich, zielgerichtet. Eine Mehrlinien-Organisation wird nicht von oben gesteuert. Sie lebt von den Menschen innerhalb des Systems, die ihre Verantwortlichkeiten kennen und mit einem gemeinsamen Selbstverständnis auf ein gemeinsames Ziel zusteuern.

Noch einmal ganz kurz zur Idee dahinter: In der Matrixorganisation werden zwei Organisations-linien und Verantwortlichkeiten miteinander kombiniert – beispielsweise die funktions-orientierte und die spartenorientierte. An den Schnittstellen treffen sich die Handlungsstränge und Zuständigkeiten. Dort arbeiten die Teams und verbinden sozusagen das „Beste aus beiden Welten“. Das hört sich erst einmal schlau an. Nur im realen Arbeitsalltag wird aus diesem scheinbar logischen Konstrukt häufig eine handfeste Herausforderung, die bei den Beteiligten auf Widerstand stößt.

Mit dem Umbau einer Organisationsstruktur verändern sich die Anforderungen an die Beteiligten in drei wesentlichen Punkten.
1. Identität: Veränderung der gewohnten Ansprechpartner, Teamkonstellationen und Abteilungsidentität.

Mit den veränderten Abläufen der täglichen Arbeit wechseln üblicherweise auch Vorgesetzte, Teams und Ansprechpartner – von letzteren gibt es nun gleich zwei. Plötzlich ist man vielleicht nicht mehr der einsame Wolf, sondern soll Teamplayer sein.

In vielen Fällen arbeitet man zukünftig Hand in Hand oder zumindest Seite an Seite mit Menschen, von denen man bislang durch längere Entscheidungswege entfernt oder Hierarchie-grenzen getrennt war. Mitunter entstehen Teams aus Personen, die bisher im internen Wettbewerb miteinander standen. Nicht zu unterschätzen sind dabei die Veränderungsgefühle, wenn folgender Wechsel ansteht: Von der eigenen, bislang mit Stolz vertretenen Abteilung, hin zu „den Anderen“.

Die universelle Botschaft, dass die neue Struktur „effizienter, besser und wirkungsvoller“ ist, wirkt in diesem Zusammenhang wie ein Verstärker für ungute Gefühle. Ohne die bisherigen Leistungen zu würdigen oder an diese anzuschließen, fühlt sich diese Aussage häufig wie eine Ohrfeige für die zuvor geleistete Arbeit an. Die Folge all dessen kann ein Identitätsverlust sein.

2. Führung: Veränderung der Führungsformen und Verantwortlichkeiten.

Wie einfach war es doch mit dem alten Organigramm, das Sinnbild für Hierarchie und Positionen war. Mit Einführung der Matrix ändert sich mehr als „nur“ die Organisationsstruktur. Sie kennzeichnet in den meisten Fällen auch eine Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Führung in einer Matrixorganisation erfolgt weniger über Macht dafür viel mehr über zielgerichtete Kommunikation und Kooperation.

Eine Matrix lebt davon, dass sich beide Organisationslinien auf ein gemeinsames Ziel hin ausrichten. Damit es gelingt, benötigen alle ein Verständnis von der Wirkungsweise der Matrix und den Rollen im Zusammenspiel. Führungskräfte werden zu Moderatoren, die mit allen Beteiligten Erfahrungen sammeln, aus Fehlern lernen und die gemeinsame Arbeit nachjustieren.

Einigen Fachkräften und Projektleitern fällt in der Matrix eine neue Rolle zu. Sie sollen fachlich führen, allerdings ohne Macht. Auch viele erfahrene Führungskräfte stoßen mit dem Wechsel in die Matrix schnell an die eigenen Grenzen.

3. Tagesgeschäft: Veränderung von Aufgaben, Arbeitsweisen und Schnittstellen.

Eine Matrix-Struktur bringt Abstimmungsbedarf. Sie setzt ja gerade auf Partizipation. Abstimmungen in mehrschichtigen Berichtslinien, Experten die „direkt miteinander am Tisch sitzen“, die Übergabe von Verantwortung und vieles mehr, will im Alltag von allen Beteiligten verstanden, gelernt und koordiniert sein. Bevor es so weit ist, sind Pannen, Mikromanagement und Schnittstellenkonflikte vorprogrammiert. In dieser Zeit stellt sich schnell das Gefühl ein, dieser neuen Struktur „niemals Herr zu werden“ – eine gefährliche Phase.

Die eigenen Aufgaben sind aus einer mehrdimensionalen Perspektive zu erfüllen. Das ist ganz anders als noch Tage zuvor. Selbst wenn die neuen Aufgaben in der Matrix den alten sehr ähnlich sind, entwickelt sich bei vielen Mitarbeitern häufig ein Gefühl der Orientierungslosigkeit. Bei ganz neuen Aufgaben und vernetzten Kompetenzen wird dieses Gefühl verstärkt. Zielgerichtete und kontinuierliche Abstimmung zwischen den Führungskräften ist oberstes Gebot.

Viele Teams werden neu zusammengestellt. Mitarbeiter mit völlig verschiedenen Schwerpunkten und Fähigkeiten treffen aufeinander. Ihre früheren Schnittstellen bringen sie ebenso mit wie die alten Reibungen. Der Kommunikationsbedarf in den Teams steigt und wird durch zahlreiche Schnittstellen komplexer.

Wer genau hinschaut erkennt schnell: Es geht nicht um die reine Organisation, sondern um die passende – und damit häufig neue – Form von Zusammenarbeit, Kommunikation und Führung.

Einfach überstülpen lässt sich eine Matrix nicht. Es sind die Menschen und deren Engagement, die eine Organisation mit Leben füllen, für den nötigen Pulsschlag sorgen und Wirkung erzielen. Und diese Menschen gilt es mitzunehmen.

Nur, wenn die Wirkungsweise der Struktur verstanden wird, kann diese auch funktionieren. Der erste Schritt bei der Umstellung ist deshalb die umfassende Information aller Beteiligten. Warum haben wir die Matrix? Wie soll sie funktionieren? Und welche Rolle spiele ich dabei? Jeder, wirklich jeder, benötigt die passenden Antworten. Bereits hier hakt es in vielen Unternehmen. Sie setzen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Struktur vor die Nase und erwarten, dass alles sofort wie am Schnürchen läuft.

Weit gefehlt liebe Führungskräfte. Professionelle Vorbereitung ist gefragt. Es ist an euch, die Matrix angemessen einzuführen – indem ihr eure Teams gut vorbereitet, Funktionen, Sinn und Zweck des Ganzen erklärt, Rollen beschreibt und natürlich jederzeit für Fragen zur Verfügung steht.

Unser Rat lautet an dieser Stelle: Sprechen hilft! Dafür muss eine Menge Zeit eingeplant werden. Es dauert, bis sich die neue Struktur etabliert hat und die neue Art der Zusammenarbeit in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Dann und nur dann wird die Organisationsveränderung kein Satz mit X sondern ein erfolgreicher Schritt in die Matrix.