Ein Spark von Dr. Claudia Kleimann-Balke / 20.01.2020
Es ist nicht immer einfach mit mir! Es reicht meist ein kleiner Anlass und schon krame ich – vielleicht gerade nicht unbedingt benötigtes – Wissen, jahrhundertealte Zitate und historische Fakten aus den hintersten Regionen meiner Gehirnwindungen ... und lasse meine Mitmenschen daran teilhaben.
Erst neulich kamen wir während unserer morgendlichen Kaffeerunde auf das Thema Generationen zu sprechen. Einer unserer Kunden befasst sich aktuell sehr damit. Er arbeitet mit mehreren Generationen zusammen und spürt tagtäglich, dass es durchaus eine Herausforderung sein kann, wenn Babyboomer und Vertreter der Generation Y aufeinandertreffen. Mir viel spontan ein Zitat von George Orwell ein:
„Jede Generation hält sich selbst für intelligenter als die vorherige und weiser als die folgende.“
Wenn wir ehrlich sind, trifft dieses Zitat den Nagel auf den Kopf. In jungen Jahren nörgeln wir an den „Alten“ herum, finden sie spießig und festgefahren. Wir glauben, selbst alles viel besser zu können. Irgendwann wendet sich das Blatt und aus uns jungen Wilden werden die „Alten“. Und wie selbstverständlich reklamieren wir dann genau die Weisheit für uns selbst, die wir unseren Vätern einst vorwarfen.
Warum ist das so? Warum mäkeln die Jungen an den Alten und umgekehrt? Nun, würden wir alles gut finden, was frühere Generationen gedacht und getan haben, säßen wir vermutlich heute noch auf Bäumen oder in Höhlen leben. Nur eine gewisse Skepsis und Unzufriedenheit allem Bewährten gegenüber gibt am Ende den Impuls, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten – und sie zu verändern.
Genau das ist der Motor für unsere Entwicklung: Wir müssen erst unzufrieden sein, eine andere Meinung vertreten oder die Dinge durch eine andere Brille sehen, um zu erkennen, dass Veränderungen nötig sind, damit Situationen sich verbessern. Und wir brauchen dann natürlich die nötige Energie, den Willen und nicht zuletzt das Know-how, um diese gewonnene Erkenntnis aktiv umzusetzen – und Dinge auch tatsächlich zu verändern.
Am Ende hat alles Nörgeln also doch etwas Gutes – es geht vorwärts. Aber ist das ein neues Phänomen? Oder gab es diesen Konflikt der Generationen schon immer? Vermutlich gab es schon in grauer Vorzeit Konflikte, die auf die Unterschiede der Generationen zurückzuführen waren (obwohl man das für viele Jahrhunderte kaum fundiert belegen kann, weil es keine Quellen gibt).
Es war doch so ... Über viele Jahrhunderte war die Zeit der „jungen Wilden“ von einer Erziehung geprägt, die weder Kreativität noch Individualität zuließ. Gefragt waren lediglich Gehorsam und gutes, züchtiges Benehmen. Der Hausherr hatte das Sagen. So lief es, bis die Kinder das Elternhaus verließen. Diese Regel galt übrigens bei „Bauers“ genauso, wie bei „Von und Zus“. Erst mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert veränderte sich das grundlegend. Die Jugend wurde nun nicht mehr als reine Phase des Lebens verstanden, sondern als Chance, in der sich die Hoffnung auf ein neues Zeitalter verwirklichen sollte.
„... sie sollten nicht mehr Altes fortsetzen, sondern Neues schaffen, nicht Frieden schließen mit den Gegebenheiten, sondern in die Zukunft schauen ...“,
fasste es zum Beispiel der Historiker Richard van Dülmen zusammen (Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit. Das Haus und seine Bewohner. München 1999, S. 131). Seitdem sind wir zum Nörgeln verurteilt ... wir wollen es eben besser machen.
Das einzige, was sich daran verändert hat, ist das Tempo, mit der sich Ansichten, Werte, Denkmodelle und Erwartungen der nachwachsenden Generationen wandeln. Man hat das Gefühl, dass sich die Geschwindigkeit analog zur technischen Entwicklung bewegt.
Der Forschungsstand zur Geschichte der Generationen ist indes längst nicht so heterogen, wie uns die allgegenwärtigen Definitionen der Generationen X, Y und Z vermuten lassen. Noch immer können sich Kulturwissenschaftler, Soziologen, Historiker und Literaturwissenschaftler nicht auf ein gemeinsames Generationsverständnis einigen.
„Nützt ja nix“ – die norddeutsche Antwort auf alles, was man nicht ändern kann, oder will. Der anhaltende Diskurs der Wissenschaft hält uns nicht davon ab, das wahrzunehmen, was sich im Arbeitsalltag widerspiegelt: Die Mitglieder der Generationen ticken unterschiedlich. Das ist so und wir auch müssen schlicht und einfach lernen, damit umzugehen – so, wie es auch Generationen vor uns getan haben.