Skip to main content

Ein Spark von Dr. Claudia Kleimann-Balke / 26.08.2022

Community – oder was uns seit vielen Jahrhunderten miteinander verbindet

 

Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir streben danach, Kontakt zu anderen Menschen aufzubauen und uns mit ihnen auszutauschen.

In der Gesellschaft anderer fühlen wir uns sicher – vor Säbelzahntigern und verfeindeten Horden aus der benachbarten Höhle. Gemeinsam sind – und waren wir schon immer – stärker und damit auch wehrhafter. Es ist also allein aus diesem Grund schon schlau, dass wir Homo Sapiens uns gerne mit unsereins umgeben.

Doch die Vorteile sind nicht nur körperlicher Natur. Natürlich haben unsere Vorfahren schnell gemerkt, dass es auch in anderen Bereichen sinnvoll ist, nicht als Einzelkämpfer loszulegen und neben Kraft und Stärke auch Gehirnschmalz gemeinsam in den Ring zu werfen.

Das ist zum Glück in unseren Genen verankert und so nutzen wir die Erkenntnis – nennen wir sie ruhig „Gemeinsam sind wir stark“ – bis heute.

Besonders dann, wenn wir ein höheres Ziel vor Augen haben. Denn dann wird aus einer mehr oder weniger losen Gruppierung das, was wir neudeutsch als Community bezeichnen, also eine Personengruppe mit den gleichen starken gemeinsamen Interessen und Zielen, die sich regelmäßig treffen, ihre Erfahrungen austauschen und Aktivitäten unternehmen, um ein gemeinsames Ziel – oder Vision – zu erreichen.

 Heute scheint sich eigentlich jeder mindestens einer Community verbunden zu fühlen. Es wird uns Dank Internet und sozialer Medien ja auch recht leicht gemacht, gemeinsame Ziele zu verfolgen und die Mitglieder der Community in der gemeinsamen Arbeit zu bestärken und zu unterstützen.

Doch auch, wenn der Begriff Community vergleichsweise wenige Jahre auf dem Buckel hat … die Idee dieser ganz besonderen Gemeinschaft ist nicht neu. Ich muss eigentlich gleich an eines meiner Lieblingsforschungsgebiet denken: Die Zünfte.

Sie waren eine der größten und wichtigsten Communities in Mittelalter und Früher Neuzeit. Schon im 12. Jahrhundert schlossen sich die ersten Handwerker zu Zünften zusammen. Sie legten beispielsweise die Richtlinien für bestimmte Produktqualitäten fest und kontrollierten deren Einhaltung.

Die Intention dieser Zusammenschlüsse mag anfangs rein wirtschaftlicher Natur gewesen sein. Im Laufe der Zeit jedoch erweiterte sich dieser Fokus. Juristische, soziale und religiöse Belange fanden ebenfalls Einzug in die Zünfte – davon erzählen uns heute z. B. Statutenbücher, Ratsprotokolle und Zunftrollen. Und da sich Zünfte – die übrigens je nach Region auch Gilden, Einungen oder Ämter hießen – im gesamten Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (Deutschland, wie wir es heute kennen, gab es ja noch nicht) und in den angrenzenden Ländern konstituierten, war es beinahe logisch, dass sie sich auch über die eigene Stadtgrenze hinaus miteinander verbunden fühlten.

Man verfolgte eben gemeinsame Ziele – die weit über die rein wirtschaftlichen Interessen hinaus gingen.

Hier ist nur ein Beispiel: War man unterwegs – auf der Walz, die zur Ausbildung der Gesellen gehörte – wäre man in der Fremde ohne den Schutz der Community aufgeschmissen gewesen. So kam man auf seiner Wanderschaft in fremde Städte und konnte sich der Aufnahme in die Zunft sicher sein. Du bist auch Zimmermann? Dann komm‘ zu uns. Wir geben dir Arbeit, Obdach und Schutz. Die Zugehörigkeit zu einer Zunft war gleichsam eine Lebensversicherung. Kam es trotzdem zum Äußersten und ein Zunftbruder verstarb in der Fremde, wurde für eine anständige Beisetzung gesorgt ­­– und das war in Zeiten von Seelenheil und Fegefeuer von immenser Bedeutung für jeden gottesfürchtigen Menschen.

Heutzutage hat das Marketing die Community als Werttreiber entdeckt und ein Großteil der modernen Communities tritt mit weitaus profaneren Zielen an. Unternehmen und Organisationen buhlen um Mitglieder. Dabei wird der Begriff Community häufig inflationär gebraucht und findet für Fangemeinden, Interessengemeinschaften, Netzwerke oder auch profane Vertriebsplattformen Verwendung.

Doch die echte Community erkennt man daran, dass die einzelnen Mitglieder aktiv sind, mitgestalten und sich im Sinne der gemeinsamen Ziele engagieren. Frei nach dem Motto: Machen ist wie wollen – nur viel krasser.