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Bell, Book & Candle: Nicht allen ist recht, was Recht ist.

Ein Spark von Felix H. Kühn / 23.02.2023

Dass recht haben und Recht bekommen bisweilen weit auseinanderliegen können ist bekannt. Nicht umsonst nimmt man sich im Streitfall die besten Rechtsberater*, bereitet sich gründlich vor und kämpft mit harten Bandagen. Die Wahl der Mittel und der Begleitmusik verfolgt natürlich das Ziel, die Auseinandersetzung zu gewinnen. Oftmals um jeden Preis. Nicht selten wird dabei übersehen, dass man zwar Recht bekommen und dabei dennoch viel verlieren kann. Gerade für Unternehmen gilt: Interne und externe Öffentlichkeit schauen genau hin, wie Auseinandersetzungen geführt und Veränderungen begründet werden. Die juristische Perspektive ist dabei nur „ein Maß der Dinge.

Vermutlich war es Papst Zacharias der Mitte des 8. Jahrhunderts den Ausdruck „Bell, Book & Candle“ prägte – damals natürlich noch in Latein. Die Formel beschrieb den Ritus, der bei der Exkommunikation (dem Ausschluss eines schweren Sünders aus der kirchlichen Gemeinschaft) angewandt wurde.

Heute finden wir die Formulierung Bell, Book & Candle in der Krisenkommunikation und Krisenabwehr wieder. Dort erfüllt sie allerdings eine völlig konträre Funktion. Sie soll selbst bei ethisch schwerwiegenden Fragen dabei helfen, in kurzer Zeit eine kluge Entscheidung zu treffen. Und so verhindern, dass man einen Fehler begeht und schlimmstenfalls am Pranger landet.

Das Prinzip ist einfach: Die Situation und die mögliche Lösung, werden aus den drei Perspektiven, „Bell, Book & Candle“, beurteilt.

  • Dabei steht die Glocke für die Frage: Schrillen bei mir die Alarmglocken, wenn ich meine Handlung in Betracht ziehe?
  • Das Buch symbolisiert Gesetze, Vorschriften oder Normen, gegen die man möglicherweise verstößt.
  • Bei der Kerze fragt man sich: Wie werden meine Handlungen und deren Folgen im Licht der Öffentlichkeit beurteilt?

Auffällig ist, dass die Gesetze, Vorschriften und Normen bei dieser bewährten Methode von der eigenen moralischen Intuition und vom Common Sense eingerahmt sind. Eine Entscheidung ist also nicht immer ethisch opportun, nur weil man Recht bekommt. Am Ende zählt ebenso sehr, dass es den Beteiligten und Zuschauern „recht erscheint“ was beschlossen und durchgesetzt wird.

Und so hat sich mit der Litigation-PR eine eigene Disziplin etabliert. Sie kümmert sich darum, dass Unternehmen oder Personen nicht nur Recht bekommen, sondern dass die Öffentlichkeit ihnen die Entscheidung auch zugesteht. Bereits der Weg zur Entscheidung wird mit Geschichten, Fakten und Argumentationen gepflastert, um Meinung zu machen. Oft kämpft parallel eine zweite PR-Maschine genau um das Gegenteil und schreckt dabei vor härtesten Schlägen nicht zurück.

Man muss bei dieser Form der öffentlichen Diskussion nicht gleich in Dimensionen wie Diesel-Skandal, CumEx-Geschäfte oder an die Herren Zumwinkel und Ackermann denken. Was im Großen gilt, gilt auch im Kleinen! Für Unternehmen sind bereits die eigenen Mitarbeiter eine ernst zu nehmende, kritische Öffentlichkeit.

Klar, ein handfester Fauxpas führt zu Aufregung. Doch vermeintlich kleine Veränderungen oder Streitigkeiten werden ebenso kritisch hinterfragt, wenn diese die Mitarbeiter betreffen. Geht es dabei mit rechten Dingen zu? Ein paar in- oder externe Quellen und Hörensagen reichen aus, um die Gemüter zu erregen. Umgehend wird in Kaffeeküchen und Chatgruppen des Unternehmens Meinung gemacht.

Fehlende Transparenz und mangelhafte interne Kommunikation sorgen so dafür, dass zuerst Geschichten entstehen, dann eigene Standpunkte und zuletzt harte Fronten. Daraus erwachsendes Misstrauen kann eine Organisation erheblich beeinträchtigen. Nicht selten führen kommunikative Unachtsamkeiten zu Verzögerungen oder gar großen Schäden. Gerade in schwierigen Zeiten, in denen Loyalität dringend gebraucht wird.

Ist der Krug ist erst einmal zerbrochen, müssen die Führungskräfte die Lage in mühevoller Kleinarbeit wieder kitten. Dabei spielt der Auslöser der Situation oft keine Rolle mehr. Entsprechend wichtig ist es, bei juristischen Bewertungen im Unternehmen auch stets die Kommunikationsperspektive mitzudenken. Viele Manager haben schmerzvoll gelernt, was es beispielsweise bedeutet, ohne eine kommunikative Due Diligence und Strategie in Organisationsveränderung zu starten.

Dabei geht es nicht nur um Dimensionen, wie Werkschließungen oder Fusionen. Bereits bei einem Aufhebungsvertrag und dem internen Umgang damit lohnt es sich, Kommunikation nicht nur als Paragrafen im Vertrag zu haben. Häufig gelingt es, eine Formulierung und damit auch das passende Format zu finden, um beide Seiten erhobenen Hauptes aus dem Ring treten zu lassen und so wertvolle Signale an Mitarbeiter, Partner oder Kunden zu senden.

Ziel darf es jedoch nicht sein, ein juristisch ausgefuchstes Vorgehen oder eine unliebsame Entscheidung hübsch zu verpacken und der (internen) Öffentlichkeit zu übergeben. Diese Form des Greenwashings hat gerade im Unternehmen eine extrem kurze Lunte und ebenso hohe Sprengkraft. Vielmehr sollte man die Kommunikation von Anfang an mitdenken, Planungen darauf abstimmen und passende Lösungsansätze finden. Nicht umsonst heißt es, „fällen Sie keine Entscheidung, die Sie später nicht kommunizieren können“.

Das Ringen unterschiedlicher Disziplinen um die beste Lösung lohnt sich. Nicht mehr und nicht weniger versteckt sich in der ganz einfachen Formel: „Bell, Book & Candle.“

*Zugunsten der besseren Lesbarkeit verzichte ich auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen und verwende das generische Maskulinum. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter (d/m/w).